Sie wollen als Händler überzeugen? In Zeiten der Kundenabwanderung spielen Treueprogramme für den Umsatz im Einzelhandel eine bedeutende Rolle
Neue Daten der Nets Group zeigen, dass sich die digitalen Gewohnheiten der Konsumenten auch auf Treueprogramme auswirken. Obwohl Plastikkarten und Mitgliedsnummern in Deutschland und den nordischen Ländern weiter dominieren, sind neue Lösungen wie mobile Apps oder die Integration von Zahlkarten die Zukunft. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Einzelhändler ihre Programme erfolgreich für ihre Kunden umgestalten.
Von Minna Laatikainen-Krimmel (Vice President Retail DACH, Large & Key Account bei Concardis / Nets Group)
Nach der Aufhebung der Covid-Beschränkungen und der Wiederbelebung des Einzelhandels vor Ort gibt es Hinweise darauf, dass die Kunden trotz gesteigerter Aktivität nicht mehr so treu sind wie vorher. Eine McKinsey-Studie betont, dass seit dem Beginn der Pandemie über 75 Prozent der US-amerikanischen Verbraucher ihre Einkaufsgewohnheiten verändert und 39 Prozent entweder die Marke oder den Einzelhändler gewechselt haben. Diese Entwicklung zeigt sich aber nicht nur nach der Pandemie in den USA. In einer weltweiten Untersuchung aus dem Jahr 2019 stellte KPMG fest, dass 78 Prozent der Millennials weltweit (also Menschen, die zwischen 1981 und 1996 geboren wurden) bereit waren, zu einem Unternehmen mit einem besseren Treueprogramm zu wechseln. Darüber hinaus waren 96 Prozent der Millennials der Ansicht, dass Unternehmen neue Möglichkeiten finden sollten, treue Kunden zu belohnen.
Ein effektives Treueprogramm ist ein wichtiger Punkt, den Marktakteure im Einzelhandel ernst nehmen sollten. Solche Programme sind generell in den letzten Jahren immer häufiger geworden und inzwischen bei Verbrauchern gut etabliert und beliebt. 73 Prozent der deutschen Verbraucher sind Mitglied bei mindestens einem Treueprogramm, fast die Hälfte sogar bei mehreren. In den nordischen Ländern nehmen fast 90 Prozent der Verbraucher an mindestens einem solchen Programm teil und über 70 Prozent sogar an mehreren (Abb. 1).
In Deutschland ist Payback ein sehr bekanntes Treueprogramm für viele Marken, bei dem die Verbraucher online und offline Punkte sammeln können. Etwa 30 Millionen Menschen nutzen dieses Programm, indem sie beim Einkaufen einfach vor der Zahlung ihre Karte oder die App vorzeigen und so Bonuspunkte sammeln und Vorteile erhalten.
Für Händler kann dieser zunehmend an Bedeutung gewinnende Bereich Chancen bieten. Die Studie von McKinsey hat z. B. festgestellt, dass erfolgreiche Treueprogramme den Umsatz jährlich um 15 bis 25 Prozent steigern, indem sie die Wiederkaufrate steigern und den Warenkorbwert erhöhen.
Viele Händler sind bestrebt, bessere Treueprogramme zu platzieren, um durch individuellere Angebote und umfassendere Kundenprofile die Beziehung zu ihren Kunden zu vertiefen. Gleichzeitig stellen sie alte, überholte und teure Programme ein.
Dennoch dominieren weiterhin klassische Lösungen wie Plastikkarten oder Nummern, die man sich kaum merken kann. In Deutschland nutzen 62 Prozent der Verbraucher eine Karte, aber nur 10 Prozent ihre Mitgliedsnummer. Solide 38 Prozent verwenden die mobile App. In Schweden dagegen setzen 70 Prozent der Verbraucher weiter auf Mitgliedsnummern und in Finnland nutzen 75 Prozent Treuekarten aus Plastik (Abb. 2).
Von der Clubmitgliedschaft zur Community
In Zeiten der Kundenabwanderung ist es für Einzelhändler und ihr zukünftiges Wachstum entscheidend, wie sie eine Verbindung zu ihren Kunden aufbauen. Eine Möglichkeit ist das Schaffen einer Community auf der Kundenbindungsplattform – also die Mitglieder über ein gemeinsames Anliegen oder Interesse zusammenzuführen und ihnen einen Sinn zu vermitteln.
Nach Angaben von Deloitte appellieren die führenden Treueprogramme über ihr Angebot auch an soziale Werte und das Gemeinschaftsgefühl. Aber nur 14 Prozent der globalen Treueprogramme unterstützen den Aufbau von Communitys aktiv und nur 20 Prozent bieten ihren Mitgliedern überhaupt die Gelegenheit, sich für etwas einzusetzen, das ihnen am Herzen liegt. Ein Zeichen für bislang ungenutzte Möglichkeiten der Händler.
Die Gelegenheit, Belohnungen in Spenden oder nachhaltiges Verhalten umzuwandeln, könnte hier ein erster Schritt sein. Zudem können Sie ihre Mitglieder für Verhalten belohnen, das nicht direkt mit dem Kauf verbunden ist, wie z. B. den Besuch einer Veranstaltung, die Abgabe einer Produkt- oder Servicebewertung, den Download der mobilen App oder die Weiterempfehlung an Freunde.
Außerdem ist es wichtig, dass sich die Kunden untereinander austauschen können und die Interaktion nicht nur zwischen Geschäft und Kunden stattfindet. Als Händler können Sie dies z. B. fördern, indem Sie Fallbeispiele präsentieren, die zu Ihrer Markenphilosophie passen und die Kunden daran erinnern, warum sie sich für Ihre Produkte entschieden haben.
Die Datenlücke schließen
Auf den obersten Führungsebenen im Einzelhandel beschäftigt man sich mit der Kundentreue, da es dabei um viel mehr geht als nur regelmäßige Einkäufe. Man kann in diesem Prozess auch Unmengen von Daten erheben. Außerdem ist es auf der eigenen Treueplattform viel einfacher, Kundenfeedback einzuholen, Kundenverhalten auszuwerten und die Stimmung zu analysieren.
Der Deloitte-Report zeigte darüber hinaus, dass führende Treueprogramme heutzutage datengetriebene und individuelle Erlebnisse für ihre Mitglieder kreieren. Dabei reicht das Spektrum von maßgeschneiderten Angeboten bis zu speziell auf sie abgestimmten Inhalten und Botschaften. Allerdings nutzen weniger als 25 Prozent der Treueprogramme die Möglichkeit, die Erlebnisse ihrer Mitglieder auf Basis der bisherigen Interaktionen, der Einkaufshistorie und der angegebenen oder vermuteten Präferenzen zu individualisieren. Das bietet große Chancen für datengesteuerte Händler.
Mit der Zunahme von Online-Verkäufen und Omnichannel-Lösungen wie z. B. „Click & Collect“ haben einige Händler damit begonnen, echte Unified-Commerce-Plattformen zu schaffen, um so ein nahtloses Kundenerlebnis anzubieten und ihre Kundendaten online wie offline zu erfassen. Die Zusammenführung von Online- und Offline-Kanälen ist dabei nicht immer leicht, da diese meist auf unterschiedlichen Technologien verschiedener Anbieter aufgebaut sind. Ein wichtiges Puzzleteil ist daher, die Plattform zukunftsfähig zu gestalten.
Als Beispiel für eine erfolgreiche Treuelösung im Geschäft kann man ein führendes schwedisches Möbelhaus nennen, das in vielen Filialen im ganzen Land äußerst erfolgreich eine Zahlungskarte in sein Programm integriert hat. Nach einem Jahr hatten sich etwa eine halbe Million Kunden dafür entschieden, ihre Hauptzahlungskarte mit dem Kundenclub des Händlers zu verbinden, ein Wachstum von 40 Prozent. Durch diese Treuelösung können Händler während des Kaufvorgangs schnell neue Mitglieder gewinnen. Auch der Belohnungsprozess wird verkürzt, weil das Mitglied über die verbundene Zahlungskarte identifiziert wird und damit den Kauf schneller erledigen kann.
Viele Händler haben bald keine andere Wahl mehr, als ihre E-Commerce-Plattformen oder mobilen Apps mit ihren Geschäften vor Ort zu verbinden. Die Verbraucher möchten – und verlangen sogar – eine zunehmend nahtlose Navigation von Anfang bis Ende und auf allen Kanälen, auf denen sie mit einem Händler interagieren. Sie möchten ein Omnichannel-Erlebnis bis zur Lieferung und die Händler müssen diese Erwartungen erfüllen, um erfolgreich zu sein. Das ist allerdings keine leichte Aufgabe.
Kunden möchten wiedererkannt werden
Der Großteil der deutschen Verbraucher mag Lösungen, bei denen die Belohnungen sofort bei der Zahlung registriert werden, unabhängig von der Zahlungsmethode. Etwa ein Drittel schätzt diesen nahtlosen Ansatz sogar sehr. In den nordischen Ländern sind die Zahlen ähnlich, führend sind hier Schweden und Norwegen, wo ein relativ großer Anteil der Verbraucher das Treueprogramm mit ihrer Hauptzahlkarte verbunden hat (Abb. 3).
Die Chancen für Unternehmen, mehr treue Kunden für sich zu gewinnen, stehen daher mit solchen modernen Lösungen gut, obwohl die technische Umsetzung aufgrund anspruchsvoller Updates nur langsam vorankommt. Je mehr Karten- und Handyzahlungen in Deutschland durchgeführt werden, desto relevanter werden diese Lösungen allerdings. In den nordischen Ländern z. B. haben mehrere große Einzelhandelsketten bereits Lösungen implementiert, wo die Zahlungskarte in das Treueprogramm integriert ist und der Kunde seine Bonuspunkte sofort beim Kauf erhält. Beim Anteil der Verbraucher, die ihre Hauptzahlkarte in eine Treuelösung integriert haben, ist Norwegen führend – und erzielt unglaubliche 68 Prozent. Schweden landet mit 48 Prozent auf dem zweiten Platz und Deutschland bildet mit nur 11 Prozent das Schlusslicht, da die Nutzung von Zahlungskarten hier generell noch hinter den hochdigitalisierten nordischen Ländern hinterherhinkt. Dort hat die Zukunft der Treueprogramme bereits begonnen und sie wird wahrscheinlich auch Deutschland bald erreichen.
Auch bei der Digitalisierung von Treueprogrammen liegt Norwegen an der Spitze, wo 51 Prozent der Verbraucher dafür eine mobile App nutzen. Schweden liegt bei nur 23 Prozent und damit sogar hinter Deutschland, wo 38 Prozent auf eine mobile App zurückgreifen.
Die oben genannten Vorteile sind natürlich ein Anreiz für immer mehr Händler, ihre Treueprogramme zu digitalisieren. In den nordischen Ländern und vor allem in Schweden und Norwegen werden Treueprogramme, die nicht mit der Hauptzahlungsmethode wie Karte oder Handy verbunden sind (Tokenisierung), in Zukunft als umständlich und langweilig gelten.
Bei einer korrekten Anwendung kann dies den Einzelhändler stärken, weil die einheitliche Interaktion vor Ort, online und in der App noch mehr miteinander verschmilzt und so den Umsatz fördert. Aber selbst in den hochdigitalisierten nordischen Ländern verfolgen erst wenige Händler diesen Ansatz. Dennoch führt er zu treueren Kunden und weniger Warteschlangen, da sich die Kunden keine Nummern merken oder ihre Karte vorzeigen müssen. Außerdem können so die Kosten für den Händler sinken, weil er kein separates Treueprogramm mehr braucht.
In diesem Digitalisierungsprozess müssen Sie Vertrauen aufbauen, Zustimmungen einholen und dürfen nicht gegen die Datenschutzvorgaben verstoßen. Schlecht umgesetzte Personalisierung ist für Verbraucher eher ein Ärgernis und kann sich letztendlich nicht nur negativ auf Ihr Treueprogramm, sondern auf Ihr gesamtes Geschäft auswirken.
Drei abschließende Tipps für Händler
1. Nahtlose Treuelösungen sind die Zukunft